Als ich Weihnachten 2018 mit Oma verbracht habe, weil sie nach einem Sturz bettlägerig war, haben wir viel übers Kochen, Essen und über Gasthäuser gesprochen. Ausschlaggebend für unsere Diskussion war, dass ich am zweiten Weihnachtsfeiertag ziemlich viel zu arbeiten hatte und abends noch etwas Warmes essen wollte. Oma stieg aus, sie wolle nichts mehr, ich bestellte also beim Inder, damit ich Oma nicht allein lassen musste. Der lieferte prompt und ich bekam die köstlichen Vor- und Hauptspeisen in den üblichen Kartonbehältern. Oma wollte also genau wissen, was es damit auf sich hat. Denn sie hatte selbst noch nie Essen bestellt und ihre erste gelieferte Pizza – die ich höchstpersönlich vom Italiener geholt hatte – hat sie im Alter von 90 Jahren genossen.
Unser Gespräch zu Lieferdiensten führte und zurück in Omas Kindheit und Jugend. Oma ist 1926 zur Welt gekommen, erlebte die Nachkriegszeit als Jugendlich am Land und das ist wohl einer der ganz großen Unterschied zur Stadtjugend in dieser Zeit. Als Oma 20 war, war der Krieg gerade mal zu Ende und auf dem Land sah es düster aus mit Gasthäusern und Lokalen. Während in der naheliegenden Stadt nach und nach Cafés wieder eröffneten, die auch für junge Menschen interessant waren, etablierten sich am Land nach und nach die Möglichkeiten der Zusammenkünfte wieder, die es auch vor dem Krieg schon gegeben hatte: Viehmärkte, Kirtage und traditionelle Dorffeste.
Von der Kreidetafel zum Menüboard
Bis 1950 waren Lebensmittelkarten im Einsatz. Dies ist ein von den Behörden ausgegebenes Dokument, das einen zum Kauf bestimmter Lebensmittel berechtigt. Man wollte damit den Mangel an bestimmten Konsumgütern besser verwalten. Auch nach 1950 herrschte noch Lebensmittelknappheit, was dazu führte, dass man bestimmte Lebensmittel nur in bestimmten Mengen erwerben konnte. Auch in den Gasthäusern war auf den Speisekarten angegeben, wieviel Lebensmittelmarken das jeweilige Gericht „kostete“.
Während in den „feinen Restaurants“, wie Oma sie nennt, bereits Speisekarten im Einsatz waren, wurden beim „Wirtn“ am Land noch Kreidetafeln verwendet oder es gab keine Speisekarte, sondern nur wenige Gerichte, die die Kellnerin mündlich präsentierte. Weit weg also von Speisekarten, Menükarten und schicken Eiskarten, wie es sie heute gibt.
Beim Gespräch mit Oma erinnerte ich mich, dass ich selbst in meiner Jugend ein Faible für Speisekarten hatte und durchaus die eine oder andere mitgehen ließ, wenn sie mir besonders gut gefielen. Wo die wohl sind? Wenn ich sie finde, werde ich hier einen eigenen Beitrag dazu schreiben.
Oma jedenfalls gefiel unser Gespräch und sie kostete auch bei den indischen Gerichten.